Didaktische Handlungsebenen

Kurzdefinition:

Insbesondere im Zusammenhang mit der Übertragung des Konstruktivismus auf die Didaktik mit einem subjektwissenschaftlichen Bezug der Lerntheorien, intensivierte sich das Interesse an didaktischen Konzepten. Denn der Konstruktivismus dient als Erkenntnistheorie, der zwar das Fehlen einer Erziehungstechnologie plausibel macht, aber keine konkreten Handlungsempfehlungen aufzeigt. Dennoch gilt es in didaktischen Settings, dass die Lehrenden didaktisches Handeln vollziehen. Dazu werden die verschiedenen Ebenen didaktischen Handelns unterschieden, um das Handeln planvoll zu gestalten.

Beschreibung:

Der Begriff Didaktik wird bisher weitgehend mit Lehre gleichgesetzt, da er eine schulpädagogische Tradition hat. Damit aber ein Unterricht erfolgreich durchgeführt werden kann, sind eine umfassende didaktische Vorbereitung und das Schaffen didaktischer Rahmenbedingungen sicherzustellen (vgl. Siebert 1996, S. 7f.).

Die Unterscheidungen didaktischer Ebenen können dazu vor dem Hintergrund des Verständnisses von Lernen getroffen werden. Innerhalb der allgemeinen Didaktik unterscheidet Siebert (1996, S. 322f.) in seinem didaktischen Glossar zwischen Makro- und Mikrodidaktik. Er versteht unter Makrodidaktik die lehrplanmäßige Planung eines Schuljahres oder eines Fachbereichs. Dazu gehört auch die Begründung von Zielen und den sich daraus ableitbaren Inhalten, das didaktische Profil einer Schule usw. Mikrodidaktik ist dem logisch folgend die Planung einer einzelnen Unterrichtseinheit, mit den konkreten Unterrichtszielen, Inhalten, Methoden und Medien.

Darüber hinaus wird Didaktik nach Tillmann (1993, S. 16ff. zitiert nach Kron 1994, S. 47) auf vier Ebenen betrachtet. Diese Ebenen können nicht isoliert voneinander betrachtet werden:

  • Makrosoziale Ebene: Didaktisches Handeln ist an gesellschaftliche Entscheidungsprozesse gebunden z.B. Kultusministerium, Verordnungen, definierten kulturellen Werten und Normen.
  • Institutionelle Ebene: Ebene des Bildungssystem mit verschiedenen Institutionen und Organisationen mit ihren Organisationsformen: Ein Träger oder eine Berufsschule hat einen anderen Zweck als z.B. ein Bildungswerk.
  • Mikrosoziale Ebene: Einseitige oder gegenseitige soziale Beeinflussung z.B. im Unterricht. Es geht um Prozesse initiierendes oder kontrollierenden Handelns nach einem Lehr- und Lernziel.
  • Intrapersonale Ebene: Diese Ebene wird als Lernprozess beschrieben. Es fokussiert die Konstitution von Regelbewusstsein an bestimmten Rollenerwartungen, so dass von der Beeinflussung der Persönlichkeit, Einstellung usw. gesprochen wird.

Bei der Übertragung des Konstruktivismus auf die Didaktik geht es einerseits um die theoretischen Begründungen didaktischer Konzepte und andererseits um die konkrete Umsetzung als didaktisches Handeln der Lehrenden. Die Didaktikforschung nimmt damit zunächst den konstruktivistischen Trend auf, lebenslang, möglichst selbstbestimmt, selbstgesteuert und selbstorganisiert zu lernen – gleichzeitig aber die Handelnden nicht aus ihren sozialen Bezügen zu entbinden, da auf mikro- und makrodidaktischer Ebene institutionalisierte und organisierte Supportstrukturen sicher zu stellen sind.

Insbesondere – aber nicht ausschließlich – unter dem Aspekt der Kompetenzorientierung schlägt Lars Kilian eine erweiterte Taxonomie vor, ander mithilfe von Kriterien und Subkriterien didaktische Arrangements erstellt und überprüft werden können (vgl. Kilian 2016, S. 2).

Kriterium Subkriterien Prüffrage
Kompetenzmodell / Kompetenzdarstellung Kompetenzmodell Gibt es für das Lernangebot (Studiengang, Modul, Veranstaltung) ein Kompetenzmodell?
Kompetenzen Werden einzelne, zu entwickelnde Kompetenzen dezidiert dargestellt?
Kompetenzniveaus Werden zu entwickelnde Kompetenzniveaus benannt?
Performanzorientierung / Learning Outcomes / „Can Dos“ Learning Outcomes Werden für das Lernangebot Learning Outcomes formuliert?
Passung der Komplexität Sind die Learning Outcomes bzgl. der zu entwickelnden Kompetenzen in ihrer Komplexität adäquat?
Kompetenzniveaus Können unterschiedliche Kompetenzniveaus entwickelt werden?
Prüfung der LO Werden Performanzen / Learning Outcomes geprüft?
Kompetenzfeststellung Gibt es eine offene / ganzheitliche, Kompetenz(niveau)feststellung?
Handlungsorientierung Komplexität Werden komplexe Lernhandlungen anvisiert?
Aktives Lernen Werden Konzepte auf aktivierenden Lernen eingesetzt?
Lernbegleitung Übernimmt der Lehrende (Tutor o.a.) die Rolle des Lernbegleiters?
Lernenden-kooperation Gibt es Anlässe zur Kooperation der Lernenden?
Lernendenorientierung Zugangsvoraus-setzungen Sind Zugangsvoraussetzungen für das Lernangebot bekannt und benannt?
Lebensweltbezug Besitzt das Lernangebot einen Bezug zur Lebenswelt der Lernenden?
Selbstständigkeit Können Lernende den Lernprozess selbstständig gestalten?
Problemhaftigkeit Werden für Lernende relevante Probleme thematisiert?
Mitbestimmung Können Lernende die Lernziele, -methoden und -themen mitbestimmen?
Lernprozess Liegt der Fokus auf dem Lernprozess?
Binnendifferenzierung Gibt es eine Binnendifferenzierung der Lehre?
Selbstevaluation Können Lernende den Lernprozess und das -ergebnis selbst evaluieren?
Lernaufgaben Kompetenz-modellorientierung Orientieren sich die Lernaufgaben am im Kompetenzmodell festgelegten und zu entwickelnden Kompetenzen?
Komplexität Entspricht die Komplexität der Lernaufgaben einer Entwicklung von Kompetenzen (und Kompetenzniveaus)?
kumulativ-vernetzt Unterstützen die Lernaufgaben das kumulativ-vernetzte Lernen? Stehen die Lernaufgaben in Beziehung zueinander?
Offenheit Bieten die Lernaufgaben eine Offenheit bzgl. der Bearbeitungswegen und ggf. Lernergebnisse?
Authentizität Weisen die Lernaufgaben einen Bezug zur (beruflichen) Realität der Lernenden auf?
Methoden Aktivitätsförderung Fördern die Lehrmethoden die Lernendenaktivitäten?
Performanzförderung Unterstützen die Lehrmethoden eine Performanceorientierung?
(Fach-) Inhalte Aktive Inhaltsver-/bearbeitung Wird eine aktive Inhaltser-/bearbeitungangestrebt?
Theorie-Praxis-Bezug Gibt es Bezüge zwischen Theorie und Praxis?
Situierung Werden Inhalte situiert?
Emotionale Labilisierung Kognitive Dissonanz Erzeugt das Lernangebot kognitive Dissonanzen?
Lernendenrelevanz Ist das Lernangebot relevant für die Lernenden?

Quelle: Eigene Darstellung nach Kilian 2016, S. 3f.

Interne Verweise:
Didaktik

Didaktische Reduktion

Didaktische Rekonstruktion

Didaktisches Dreieck

Verwendete Quellen:
Kilian, L.: Kriterien kompetenzorientierter didaktischer Ansätze. URL: http://lars-kilian.de/blog/wp-content/2016/09/2016_Lars_Kilian_KriterienKODA.pdf (Stand: 26.07.2020).

Kron, F.W.: Grundwissen Didaktik. 2. Auflage. München: UTB Verlag. 1994.

Siebert, H.: Didaktisches Handeln in der Erwachsenenbildung. Didaktik aus konstruktivistischer Sicht. (Grundlagen der Weiterbildung). 2. Auflage. Neuwied: Luchterhand. 1997.

Weiterführende Literatur:
Meueler, E.: Didaktik der Erwachsenenbildung/Weiterbildung als offenes Projekt. In: Tippelt, R. (Hrsg.): Handbuch Erwachsenenbildung/Weiterbildung. Leske & Budrich, Opladen, 1994, S. 615-628.

Moriz, W.: Unterrichtswissenschaften. Theorien des Lehrens und Lernens und berufspädagogische Handlungskompetenz. Books on demand, Norderstedt, 2007.

Nezel, I.: Allgemeine Didaktik der Erwachsenenbildung. Haupt Verlag, Bern, 1992.

Internetverweise:

Wir weisen darauf hin, dass die aufgelisteten Seiten nicht Teil des Didagma-Projektes sind. Daher übernehmen wir keine Haftung für die Inhalte und die Richtigkeit dieser Seiten. Falls der Link defekt, oder der Seiteninhalt unpassend sein sollte würden wir uns freuen darüber informiert zu werden.

Reich – Unterrichtsmerker

Materialien:

Verantwortlich: Rolf Arnold, FB Pädagogik, TU Kaiserslautern und Thomas Prescher; Isa-Dorothe Gardiewski; Christian Scherner

« Back to Glossary Index