Kritisch-konstruktive Didaktik
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Die kritisch-konstruktive Didaktik ist ein Modell zum didaktischen Handeln, das von Wolfgang Klafki aus der klassischen bildungstheoretischen Didaktik im Jahre 1985 weiterentwickelt wurde. Klafki bezeichnet seinen Ansatz kritisch, weil die Didaktik vorfindbare Umstände nicht als solche hinnimmt, sondern sie kritisch hinterfragt, um den Bildungsauftrag auf bestmögliche Weise erfüllen zu können. Konstruktiv wird er benannt, weil die Didaktik „nicht bei einer kritischen Beschreibung von Tatbeständen stehen bleibt, sondern Vorschläge für deren pädagogisch sinnvolle Veränderung unterbreitet“ (Peterßen 2004, S. 76). |
Das neue Modell Klafkis, das weite Verbreitung in Deutschland gefunden hat, hat das Ziel, Lehrende bei der Planung von „emanzipatorisch orientierten“ Unterricht zu unterstützen (vgl. Kron 2004), d.h. der Unterricht soll seiner Meinung nach, „indem er den [sic!] jungen Menschen in seiner gegenwärtigen Lebensphase Verstehens-, Urteils- und Handlungsmöglichkeiten eröffnet, ihm zugleich zu entsprechenden Entwicklungsmöglichkeiten auf seine Zukunft hin verhelfen“ (Klafki 1997, S. 17). Der Unterricht soll nach Klafki Schülerinnen und Schülern produktive Lernprozesse ermöglichen. Klafki bezeichnet seinen Ansatz als „Problematisierungsraster“, das „durch Benennung genereller Kriterien der Unterrichtsplanung begründete konkrete Entscheidungen in praktischen Situationen ermöglicht“ (Gudjons 2008, S. 238) und Lerhkräfte dadurch zu flexiblem Unterrichtshandeln befähigen soll.
Bildung als Leitbegriff der kritisch-konstruktiven Didaktik Der Begriff der Bildung ist für Klafki „eine zentrale, orientierende Kategorie“ (Klafki 1985, S. 42f.) für die Kohärenz zwischen den praktisch-pädagogischen Bemühungen und den sie aufklärenden und begründeten theoretischen Untersuchungen und Reflexionen, damit „pädagogisch gemeinte Hilfen, Maßnahmen, Handlungen und individuelle Lernbemühungen begründbar und verantwortbar bleiben oder werden sollen“ (Klafki 1991, S. 44). Bildung stellt demnach als „zentrierende Kategorie“ die Klammer zwischen allem didaktischen Denken und Handeln dar und hat regulativen Charakter in der Hinsicht, ob sich pädagogische Entscheidungen und Handlungen als bildungswirksam erweisen (vgl. Peterßen, 2004). Beim Bildungsvorgang ist nach Klafki nicht nur der Aspekt der Auseinandersetzung der Lernenden mit Inhalten von Bedeutung, sondern auch der Beziehungsaspekt, d.h. die Art und Weise der Auseinandersetzung (vgl. Peterßen 2004). Didaktik ist somit „nicht länger mehr auf Lerninhalte konzentriert, sondern auf das gesamte Lehr- und Lerngeschehen und all dessen Dimensionen bezogen“ (Peterßen 2004, S. 78). Klafki bestimmt den Bildungsbegriff auf zweifache Weise, und zwar als Individual- und Allgemeinbildung. Individualbildung Klafki hebt „Primat der Zielentscheidung“ „im Verhältnis zu allen anderen, den Unterricht mitkonstituierenden Faktoren“ (Klafki 1985, S. 64f.) hervor, d.h. „Zielentscheidungen“ beeinflussen alle unterrichtsbezogenen didaktischen und methodischen Entscheidungen (vgl. Jank & Meyer 1991). Die individuellen Zielbestimmungen dieses Ansatzes liegen in der Förderung von Selbstbestimmungsfähigkeit, Mitbestimmungsfähigkeit und Solidaritätsfähigkeit der Lernenden, die Klafki auch als Prinzipien bezeichnet:
Bildung ist demnach ein selbstintentionaler Vorgang und Didaktik hat nach Klafki dafür zu sorgen, dass jede/r Lernende alle Hilfen bekommt, Bildung mit diesen drei „integrierenden Bestandteilen“ zu bekommen (vgl. Peterßen 2004, S. 81 f.). Allgemeinbildung Einerseits darf also die Bildung keine bestimmten Inhalte für alle Menschen verbindlich vorgeben (wegen der Individualbildung), andererseits soll aber allen Lernenden ein Bewusstsein von zentralen Problemen der Gegenwart und Zukunft (s. unten) vermittelt werden, was nach Klafki durch die Allgemeinbildung geschehen kann. Klafki nimmt folgende Bestimmung für den Begriff „Allgemeinbildung“ vor: Allgemein im Sinne von „für alle“, von „allseitig“ (Allgemeinbildung bezieht sich nicht nur auf den Intellekt des Menschen, wie es oft geschieht, sondern auf den ganzen Menschen) und im Sinne von „Bildung durch das Allgemeine, im Medium des Allgemeinen“ (Am je „Besonderen“ kann seiner Meinung nach die allgemeine Einsicht gewonnen werden) (vgl. Peterßen 2004, S. 82 f.). Lerninhalte Bildungsinhalte sollen im Hinblick „auf ihren bildenden Gehalt für die jeweils selbst vorzunehmende Interpretation der drei Zielbegriffe“ ausgewählt werden (Jank & Meyer 1991, S. 173). Klafki (1985, S. 71 f.) unterscheidet zwischen: – „potentiell emanzipatorischen Themen (politische Konfliktanalysen, Themen zu gesellschaftlichen Abhängigkeitsstrukturen, Drogen, Sexualität, Aufklärung u. ä.) und – instrumentellen Themen“ (Jank & Meyer 1991, S. 173), zu welchen Kenntnisse, Erkenntnisse und Fertigkeiten zählen, die allerdings „ziel-“ und „wertambivalent“ sind, d.h. für sich genommen sind sie „ohne Bildungswirksamkeit“ (z.B. Schreib- und Lesefertigkeit) (vgl. Peterßen 2004, S. 92). Konkrete Auswahl der Themen bleibt die Sache der Lehrkräfte, die sie in Bezug auf ihre Gegenwarts-, Zukunfts- und „exemplarische Bedeutung“ (s. unten) bewerten sollen. Klafkis Meinung nach soll durch Bildung „ein geschichtlich vermitteltes Bewusstsein von zentralen Problemen der gemeinsamen Gegenwart und der voraussehbaren Zukunft“ gebildet werden (Klafki 1985, S. 20f.). Neben den allgemeinen Themen, die für lernende Personen unterschiedlich interessant und wichtig sein können, gibt es solche, die alle und jeden angehen und von epochaltypischer Art sind (vgl. Peterßen 1991). Die Themen, die vom zu erziehenden jungen Menschen als existentiell wichtig eingesehen werden, werden nach Klafki als Schlüsselproblem bezeichnet. Ein Beispiel für ein Schlüsselproblem wäre die Umweltfrage. Anhand dieser Schlüsselprobleme können Lernende ihre Mitverantwortlichkeit dafür einsehen und Bereitschaft erfahren, sich ihnen zu stellen und an ihrer Bewältigung teilzunehmen (vgl. Klafki 1985). Die Schlüsselprobleme werden im sogenannten Problemunterricht nach Art des Spiralcurriculums, d.h. ein Problem wird immer wieder aufgegriffen, bearbeitet. Ihre intensive Behandlung, und zwar über die gesamte Schulzeit hinweg, kann durch den Epochal-, den fächerübergreifenden Unterricht, das Team-Teaching sowie solche Prinzipien wie exemplarisches Lehren und Lernen, methodenorientiertes Lernen usw. erreicht werden. Allgemeine Voraussetzungen eines Unterrichtsplanungskonzepts Bei der Unterrichtsplanung sind nach Klafki (1997, S. 15f.) folgende Kriterien zu berücksichtigen:
Perspektivenschema zur Unterrichtsplanung Von diesen grundlegenden Voraussetzungen her entwickelt Klafki ein „vorläufiges Perspektivenschema zur Unterrichtsplanung“ (Klafki 1991, S. 272) und damit Perspektiven für die Unterrichtsplanung (s. Abb. 1), wobei der/die Lehrende anhand dessen einen Unterricht bzw. eine ganze Unterrichtseinheit planen soll. Abb. 1: (Vorläufiges) Perspektivenschema zur Unterrichtsplanung Quelle: (Klafki 1997, S. 18) Die Unterrichtsplanung ist mit der expliziten Bedingungsanalyse zu beginnen. Das ist „eine Analyse der konkreten soziokulturell vermittelten Ausgangsbedingungen einer Lerngruppe (Klasse), des bzw. der Lehrenden sowie der unterrichtsrelevanten, kurzfristig änderbaren oder nicht änderbaren Bedingungen einschließlich möglicher oder wahrscheinlicher Schwierigkeiten bzw. Störungen“ (Klafki 1997, S. 17). Aus der Bedingungsanalyse ergeben sich vier Hauptfelder, die in Wechselbeziehung miteinander stehen („Interdependenzthese“):
Kritik Das Perspektivenschema ist in Bezug auf die Unterrichtsvorbereitung und den Unterrichtsprozess nicht konkret genug, sodass es im Lehrer*innenalltag nicht oder kaum umgesetzt werden kann: „Der systematische Zusammenhang von Bedingungsanalyse, didaktischer Strukturierung und Methodenreflexion der Kritisch-konstruktiven Didaktik bedarf dringend einer didaktisch und methodisch phantasievollen unterrichtspraktischen Entfaltung“ (Jank & Meyer 1991, S. 173). Jank und Meyer (1991) sind außerdem der Meinung, dass es ein über das Thema „Methodenorganisation“ hinausgehendes zusammenfassendes Raster fehlt, „erst recht ein theoretisch entfaltetes Klassifikationsschema zur Ordnung der Methodenvielfalt“ (S. 174). |
Bildungstheoretische Didaktik |
Gudjons, H. (2008). Pädagogisches Grundwissen: Überblick – Kompendium – Studienbuch. Klinkhardt: Bad Heilbrunn.
Jank, W. & Meyer, H. (1991): Didaktische Modelle. Frankfurt: Cornelsen. Klafki, W. (1985). Neue Studien zur Bildungstheorie und Didaktik: Beiträge zur kritisch-konstruktiven Didaktik. Beltz: Weinheim. Klafki, W. (1991). Neue Studien zur Bildungstheorie und Didaktik. Zeitgemäße Allgemeinbildung und kritisch-konstruktive Didaktik. Beltz: Weinheim, Basel. Klafki, W. (1997). Die bildungstheoretische Didaktik im Rahmen kritisch-konstruktiver Erziehungswissenschaft. Oder: Zur Neufassung der Didaktischen Analyse. In: H. GUDJONS & R. WINKEL (Hrsg.) Didaktische Theorien. Hamburg: Bergmann und Helbig. Kron, F. W. (2004). Grundwissen Didaktik. Reinhardt: München u.a. Peterßen, W. H. (2004). Lehrbuch allgemeine Didaktik. Oldenbourg: München. |
Böhm, C. (2008): Evaluation der Pädagogik Wolfgang Klafkis. Vierzig Jahre kritisch-konstruktive Didaktik an Deutschlands Schulen. Verlag Dr. Josef Kovac: Hamburg
Braun, J. P. (1994) Ausgewählte Didaktische Theorien und ihr Einfluß auf die Fachdidaktik Physik. Schriftliche Hausarbeit zur Ersten Staatsprüfung für die Laufbahn der Realschullehrer in Schleswig-Holstein. Flensburg. Klafki, W. (1974): Studien zur Bildungstheorie und Didaktik. Klafki, W. (2002). Schultheorie, Schulforschung und Schulentwicklung. Beltz Verlag: Weinheim und Basel. Lämmermann, G. (2005). Religionsdidaktik: Bildungstheologische Grundlegung und konstruktiv-kritische Elementarisierung. Kohlhammer: Stuttgart u.a. Gemkow, F.: Kritisch-konstruktive Didaktik. Abrufbar über: http://www.tep-online.info/didak/klafkikk/klafkikk.htm (Stand: 01.10.2013) Meyers, M.: Hausarbeit zum Seminar „Grundlagen der Didaktik“ (http://www.uniturm.de/download/Hausarbeit-zur-kritisch-konstruktiven-Didaktik) (Stand: 01.10.2013) Liebetrau, P.: Planung von gutem Unterricht (http://www.uni-kassel.de/~refsps/Ringvorlesung/vorlesung%20Liebetrau.pdf) (Stand: 01.10.2013) Riedl, A.: Bildungstheoretische Didaktik (http://riedlpublikationen.userweb.mwn.de/pdf/bildungstheoretischedidaktikriedl.pdf) (Stand: 01.10.2013) Studienseminar Koblenz: Wahlmodul 202: (http://www.studienseminar-koblenz.de/medien/wahlmodule_unterlagen/2004/202/1%20Didaktische%20Modelle%20(PPT).pdf) (Stand: 01.10.2013) |
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