Genetisches Lehren und Lernen

Kurzdefinition:

Der Begriff leitet sich her aus dem griech. „gignomai“ = „ursprünglich werdend, entstehend“ ab. Er bezieht sich damit auf die Entstehung und Entwicklung von Wissen. Entsprechend bezeichnet Genetisches Lehren und Lernen ein pädagogisches Konzept, das den Schwerpunkt auf die dialogische Entwicklung des Lerngegenstandes legt und dabei die Lernenden als Subjekte des Lernens begreift.

Beschreibung:

Der Begriff geht auf Martin Wagenschein zurück. Dieser kritisierte die Lernergebnisse der allgemeinen Schulen, vor allem die der Gymnasien, wo die Lernenden z.B. im naturwissenschaftlichen Unterricht nicht mehr „Phänomenen“ begegneten, sondern stattdessen mit unverstandenem Wissen belastet würden. Als Alternative entwickelte Wagenschein (vgl. Wagenschein 2008) das Konzept des „Genetischen Lehrens und Lernens“, das er als Dreischritt (genetisch – sokratisch – exemplarisch) entwickelt.

„Wer zur Quelle gehen kann, der gehe nicht zum Wassertopf“, zitiert er Leonardo (in: Wagenschein, 2008, S. 27), um sein Konzept genetischen Lernens einzuführen: Durch Fragen und Problemlösungsorientierung soll der Lernstoff individuell – sowohl kognitiv als auch emotional – zugänglich gemacht werden. Die Lernenden stellen Fragen und lernen verstehend, diskutierend und exemplarisch. Das Wissen soll nicht in Form einer vorgegebenen Wissensstruktur dargelegt werden, sondern durch Entdecken von Zusammenhängen angeeignet (vgl. Bürmann, 1997, S. 51f) und zwar auf dreifache Weise:

  • Genetisch: Die Schüler*innen versuchen das Besondere eines Lerngegenstandes sprachlich zu fassen und suchen nach Erklärungsansätzen („fassendes Sprechen“). In einer Abfolge von Entwicklungsschritten wird Wissen induktiv erschlossen. Im Vordergrund stehen also das Verstehen von Zusammenhängen und ein nachhaltiger Zugang zu den Inhalten des jeweiligen Faches. Theorien und Gesetzmäßigkeiten werden aus ihrer inneren Logik heraus erschlossen. Es geht dabei um interessegeleitete Bewusstwerdungsprozesse.
  • Sokratisch: Wagenschein geht davon aus, dass die Lernenden im sokratischen Dialog durch die Auseinandersetzung mit Naturphänomenen zu eigenen Lernprozessen motiviert werden und durch Diskutieren darüber selbstgesteuert lernen. Die Lehrkraft spielt dabei eine begleitende Rolle.
  • Exemplarisch: Um die Stofffülle zu reduzieren, empfiehlt Wagenschein das exemplarische Lernen am Beispiel (Qualität geht vor Quantität).
Interne Verweise:
Didaktik

Entdeckendes Lernen

Exemplarisches Lernen

Fachdidaktik

Lebendiges Lernen

Lehr- und Lernformen

Verwendete Quellen:
Bürmann, I.: Überwindung des Gegensatzes von Person und Sache. Annäherung an bildendes Lernen und Lehren. Bad Heilbrunn: Verlag Julius Klinkhardt Verlag. 1997.

Wagenschein, M: Verstehen lehren. 4. Auflage. Weinheim: Beltz Verlag. 2008.

Weiterführende Literatur:
Engelbrecht, A.: Kritik der Pädagogik Martin Wagenscheins. Eine Reflexion seines Beitrags zur Didaktik. Münster: LIT Verlag. 2003.

Gudjons, H.: Handlungsorientiert Lehren und Lernen. Schüleraktivierung, Selbsttägigkeit. Projektarbeit. 7., aktualisierte Auflage, Bad Heilbrunn: Julius Klinkhardt Verlag. 2008.

Berner, H. & Zimmermann, T.: Unvergessliche Lehr-Lern-Arrangements. Theoretisch geklärt – praktisch umgesetzt. Zürich: Verlag Pestalozzianum. 2005.

Internetverweise:

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Dörfler, W.: Der didaktische Horizont

Uni Münster – Genetisches Lernen

Materialien:

Verantwortlich: Rolf Arnold, FB Pädagogik, TU Kaiserslautern und Waltraud Amberger;

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