Pragmatismus

Inhaltsverzeichnis:
Kurzdefinition:
Der Begriff »Pragmatismus« wird ganz allgemein als die „Lehre vom inneren Zusammenhang der Vorkommnisse und Dinge“ bzw. die „Lehre, wonach alles Erkennen nach seinem praktischen Nutzen zu bewerten ist“ verstanden. In der Didaktik wird unter (pädagogischem) Pragmatismus in Anlehnung an John Dewey eine Auffassung von Lehren und Lernen verstanden, welche starke Bezüge zu konstruktivistischen Theorien aufweist und v.a. in der Projektmethode ihren Ausdruck findet. In den letzten Jahren wird der Pragmatismus zudem als eine Konzeption zur Gestaltung medialer Lernarrangements genutzt.
Beschreibung:
(1.) Pragmatismus und Philosophie

In der Philosophie wird mit »Pragmatismus« eine Denkrichtung bezeichnet, welche v.a. zu Beginn des ersten Jahrzehnts des 20. Jahrhunderts aufgekommen ist. „Ein Grundzug des Pragmatismus, wie er besonders bei John Dewey deutlich wird, ist sein entschiedener antidualistischer Charakter. Vor allem die pädagogische Denktradition sei voller Dualismen, die es zu überwinden gelte: Anlage und Umwelt, Individuum und Gesellschaft, praktische und geistige Arbeit, formale und materiale Bildung, berufliche und allgemeine Bildung, Arbeit und Muße usw. Deweys Pragmatismus ist der Versuch, diese Dualismen auf der Grundlage einer veränderten Theorie der Erfahrung und des Lernens zu überwinden.“ (Bellmann 2007, S. 422).

(2.) Pädagogischer Pragmatismus

Der pädagogische Pragmatismus bezeichnet nach Stratmann (2007, S. 35) eine lehr-lerntheoretische Position, welche vielfältige Bezüge zum Konstruktivismus aufweist. Teilweise wird der amerikanische Pragmatismus nach John Dewey als historischer Vorreiter der neueren konstruktivistischen Ansätze verstanden. Der Pragmatismus nach Dewey hat einen Einfluss auf verschiedene Unterrichtskonzepte v.a. der Reformpädagogik ausgeübt, so z.B. auf den Daltonplan nach Helen Parkhurst (1886-1973).

Der Pragmatismus kann allerdings nicht als ein eigenständiges lerntheoretisches Paradigma angesehen werden (vgl. Kerres & de Witt 2004, S. 82f.). Vielmehr stellt die pragmatische Auffassung von Lehren und Lernen einen Kompromiss zwischen den kognitivistischen und konstruktivistischen Auffassungen dar. Der Kompromiss kann durch die Gestaltung problemorientierter Lernumgebungen erzielt werden, in welchem die Vorteile beider Ansätze zum Tragen kommen, d.h. sowohl Instruktion und Konstruktion integriert werden (vgl. Straka & Macke 2002, S. 149). Somit sollen traditionelle und konstruktivistische Vorgehensweisen kombiniert werden. Gemäß dieser Position haben sowohl die Lernenden als auch die Lehrenden gleichermaßen aktive und reaktive bzw. rezeptive Aufgaben: „Die »pragmatische Position« weist den Lernenden eine vorrangig aktive und nur zeitweise rezeptive Position zu und dem Lehrenden einen situationsspezifischen Wechsel zwischen reaktiver Position (unterstützen, anregen und beraten) und aktiver Position zu (anleiten, darbieten und erklären)“ (Straka & Macke 2002, S. 149).

Eine Gegenüberstellung der konstruktivistischen und pragmatischen Konzeptionen haben u.a. Kerres & de Witt (2004, S. 81ff.) aufgestellt, in der die einzelnen Aspekte detaillierter behandelt werden. Aus dem (pädagogischen) Pragmatismus sind im Wesentlichen zwei konkrete methodisch-didaktische Implikationen hervorgegangen: die Methode des Projektunterrichts sowie die pragmatisch-experimentelle Methode („inquiry“). Dabei wird in erster Linie ein zielgerichtetes Handeln anhand von lebenswirklichen Situationen in der Kooperation mit anderen Lernenden herausgestellt:

„Eine Position, die sich auf den Pragmatismus beruft, würde Lernen entsprechend als eine Handlung definieren, die bildende Erfahrungen ermöglicht und immer an die konkrete Situation und Lebenswelt des Lernenden – und damit an einen bestimmten zeitlichen und sozialen Kontext – gebunden ist“ (Czerwionka & de Witt 2006, S. 121).

Vor allem die soziale Interaktion im Sinne einer „lernenden Gemeinschaft“, wird als ein wesentliches Element für didaktische Entscheidungen verstanden. Der „Bezug zur Erfahrungswelt der Lernenden“ (Kerres & de Witt 2004, S. 95) ist ein weiteres wesentliches Merkmal: Lehrende sollen im Unterricht vielfältige Handlungs- und Erfahrungsmöglichkeiten bereitstellen, welche an den authentischen Lebensbedingungen der Lernenden orientiert sind. Hierbei gibt es deutliche Anlehnungen an das Konzept der „situierten Kognition“ (Lave & Wenger 1991, S. 33).

3.) Pragmatismus als theoretische Grundlage der Mediendidaktik

In den letzten Jahren wurde zudem, die auf John Dewey basierende Position des pädagogischen Pragmatismus als eine Konzeption zur Gestaltung medialer Lernarrangements rezipiert, die quer zu den genannten Lerntheorien liegt (vgl. Kerres & de Witt 2004, S. 95f.)

Dies beinhaltet eine Abkehr von den üblichen Positionen des Behaviorismus, Kognitivismus oder Konstruktivismus. Es wird nicht mehr das jeweilige Lernparadigma in den Mittelpunkt gestellt, sondern vielmehr das jeweils passende Konzepte für eine bestimmte Lernsituation (vgl. Arnold et al. 2004, S. 89). Der Hintergrund dieser Überlegungen wird durch die Annahme bestimmt, dass es nicht das eine ideale methodisch-didaktische Vorgehen für bestimmte Lernsituationen gibt, sondern nur jeweils auf die spezifische Situation optimal angepasste Konzepte.

Interne Verweise:
Konstruktivismus

Projektunterricht

Verwendete Quellen:
Arnold, P. & Kilian, L. & Thillosen, A. & Zimmer, G.(Hrsg.): E-Learning. Handbuch für Hochschulen und Bildungszentren. Didaktik, Organisation, Qualität. Nürnberg: Bildung und Wissen. 2004.

Bellmann, J.: er Pragmatismus als Philosophie von PISA? Anmerkungen zur Plausibilität eines Deutungsmusters. In: Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, Jg. 10, H. 3, 2007, S. 421-438.

Czerwionka, T. & de Witt, C.: Betreuung von Online-Communities of Inquiry. In: Arnold, R. & Lermen, M. (Hrsg.), eLearing-Didaktik. Baltmannsweiler: Schneider Verlag. 2006, S. 117-131.

Kerres, M. & de Witt, C.: Pragmatismus als theoretische Grundlage für die Konzeption von eLearning. In: Meyer, H.O. & Treichel, D. (Hrsg.), Handlungsorientiertes Lernen und eLearning. München: Oldenbourg Verlag. 2004, S. 77-99.

Lave, J. & Wenger, F.: Situated Learning: Legitimate peripheral participation. New York: Cambrige University Press. 1991.

Straka, G.A. & Macke, G.: Lern-Lehr-Theoretische Didaktik. Münster: Waxmann Verlag. 2002.

Stratmann, J.: Pädagogischer Mehrwert und Implementierung von Notebooks an der Hochschule, Münster: Waxmann. 2007.

Weiterführende Literatur:
Dewey, J.: Demokratie und Erziehung: eine Einleitung in die philosophische Pädagogik. 3. Auflage. Braunschweig: Westermann. 1964.

English, A. (2005): Negativität der Erfahrung, Pragmatismus und die Grundstruktur des Lernens. Erziehungswissenschaftliche Reflexionen zur Bedeutung des Pragmatismus von Peirce, James und Mead für Deweys Theorie der reflective experience. In: Dietrich, D. (Hrsg.): Erziehung – Bildung – Negativität. Zeitschrift für Pädagogik. Beiheft 49: 49–61.

Müller, K.: Erkenntnistheorie und Lerntheorie. Geschichte ihrer Wechselwirkung vom Repräsentationalismus über den Pragmatismus zum Konstruktivismus. In: Müller, K. (Hrsg.), Konstruktivismus. Lehren – Lernen – Ästhetische Prozesse. Neuwied: Luchterhand. 1996. S. 24-70.

Oelkers, J. & Horlacher, R.: «Freedom an Culture» im Kontext der Entwicklung des Pragmatismus. In: John Dewey: Freiheit und Kultur. Zürich: Verlag Pestalozzianum. 2003. S. 137-157.

Schäfer, K.-H.: Medienpädagogik des Pragmatismus. In: Bachmair, B. & Spanhel, D. & de Witt, C. (Hrsg.): Jahrbuch Medienpädagogik 2. Opladen: Leske + Budrich. 2001. S. 131-149.

Internetverweise:
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Pragmatismus

Pragmatismus als theoretische Grundlage für die Konzeption von eLearning (Michael Kerres, Claudia de Witt)

Materialien:

Verantwortlich: Rolf Arnold, FB Pädagogik, TU Kaiserslautern und Markus Lermen;