Lehrkunstdidaktik
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Der Begriff »Lehrkunst« kennzeichnet zum Einen ein Verständnis von Didaktik als „Kunst des Lehrens“, welches auf den klassischen Vorstellungen von Didaktik (Ratke, Comenius) beruht. Zum Anderen wird unter »Lehrkunst« ein Unterrichtskonzept verstanden, welches als ein „schöpferisches Neuerfinden klassischer Lehrfiguren“ beschrieben werden kann. Zentrales Merkmal der Lehrkunstdidaktik ist die Methode des „Lehrstücks“, welches vom Lehrenden als eine Unterrichtseinheit durchgeführt werden soll. |
(1) Didaktisches Handeln als Lehrkunst
Das Verständnis von Didaktik als „Lehrkunst“ („didaktiké téchne“) war bereits in der Barockzeit gebräuchlich. Neben Johann Amos Comenius (1592-1670) gilt Wolfgang Ratke (1571-1635) als einer der Begründer des Verständnisses von Didaktik als Lehrkunst. Gemäß der, in der ‚Didactica magna’ – der großen Lehrkunst – vorgestellten Auffassung von Comenius, ist die Didaktik die Kunst, ein wirksames Lehren zu ermöglichen bzw. das Lernen und Lehren im (institutionalisierten) Unterricht zu arrangieren und zu begründen. Comenius hat den Begriff im Sinne von „Lehrkunst“ definiert als „Anweisung zum Lehren“, als Kunst des Unterrichtens (vgl. Reich 2001, S. 138). „Didaktik ist die Kunst des Lehrens. Lehren heißt bewirken, dass das, was einer weiß, auch ein anderer wisse“ (Comenius zitiert nach Kron 1994, S. 64). Bei der „Kunst des Lehrens“, geht es um eine anspruchsvolle Gestaltung von Lehraufgaben und Lernsituationen. Dabei liegt der gesamte Planungsprozess in der Hand des Lehrenden (lehrerzentriert). (2) Lehrkunstdidaktik als Unterrichtskonzept Die Lehrkunstdidaktik wurde von Theodor Schulze und Hans Christoph Berg in den 1990er-Jahren entwickelt. Sie beruht auf dem Prinzip des genetischen Lehrens und Lernens von Martin Wagenschein. Weitere zentrale Prinzipien sind die Exemplarik, der sokratische Dialog sowie das Prinzip des Dramaturgischen. Methodisch werden verschiedene Arbeits- und Darstellungsformen genutzt, eine Einengung auf ein bestimmtes methodisches Vorgehen ist nicht vorhanden (vgl. Gudjon 2008, S. 246). Anhand typischer Probleme bzw. Themen, die „[…] in der Geschichte der menschlichen Kultur eine wesentliche Rolle gespielt haben […]“ (Schulze & Berg 1997, S. 8) sollen die Schüler*innen die Entdeckungen und Erkenntnisse wichtiger Persönlichkeiten nachvollziehen. Beispiele für Lehrkunstthemen sind (Bonati 2003, S. 93):
Auch Heursen (1997) spricht in Bezug auf die Lehrkunstdidaktik davon, die Lehrkunst im Sinne einer lehrer*innenorientierten Didaktik zu entwickeln. Bei der Lehrkunstdidaktik handelt es sich weniger um eine eigene Didaktik als vielmehr um ein konkretes Unterrichtskonzept. (3) Lehrstückunterricht & Lehrkunstwerkstätten Die Lehrkunstdidaktik wird durch die Durchführung von „Lehrstücken“ als zentrale Methode bestimmt. Das Lehrstück als ein „Exempel hochqualifizierter Unterrichtskultur“ (Klafki 1997, S. 17 zitiert nach Bonati 2003, S. 95), ist eine konkrete Unterrichtseinheit, die detailliert durchgeplant ist und von den Lehrenden als Unterrichts- und Lernarrangement durchgeführt werden kann. „Lehrkunstbeispiele sind gut dokumentierte Unterrichtsexempel, die sich für ein variierendes Nachinszenieren eignen“ (Berg 2004, S. 2). Sie besteht aus vier aufeinander ab folgenden Phasen (vgl. Bonati 2003, S. 94): Phase 1: Inszenierung. Phase 2: Erste Erklärungsansätze der Schülerinnen und Schüler. Phase 3: Weiterentwicklung der vorläufigen Erkenntnis zu einem gesicherten Ergebnis. Phase 4: Zusammenfassung und Vergleich. Im Lehrstückunterricht werden zentrale Themen ausgewählt und im Sinne einer exemplarisch-genetisch-sokratisch-dramaturgischen Didaktik Wagenscheins zu konkreten Unterrichtseinheiten ausgearbeitet. Inzwischen existieren verschiedene »Lehrkunstwerkstätten«, in denen anhand von Lehrstücken Unterrichtsentwicklung betrieben werden soll. Dabei sollen Lehrstücke zu zentralen Themen der Menschheit im Fachunterricht als Unterrichtsexempel ausgearbeitet und erprobt werden: „Sie sind Exempel für Bildungs- und Lehrkunstqualität. Praxiserprobte, theorieklare und »nachspielbare« Unterrichtseinheiten im Sinne Wagenscheins und seinesgleichen nennen wir daher »Lehrstücke«“ (Berg 2004, S. 1). Interessierte Lehrende sollen sich in Lehrkunstwerkstätten mit Hilfe von schon ausgestalteten Lehrstücken und durch Erfahrungsaustausch mit anderen Lehrer*innen fortbilden. Kritische Betrachtung: Die Durchführung der Lehrkunstdidaktik verlangt einen überdurchschnittlichen Arbeits- und Zeitaufwand. Insbesondere der Vor- und Nachbereitungsaufwand für die Lehrenden ist höher anzusetzen, soll doch zugleich die Expertise der Lehrpersonen erhöht werden. |
Didaktik
Genetisches Lehren und Lernen Unterrichtskonzepte |
Berg, H.C.: Lehrkunstdidaktik – Entwurf und Exempel einer konkreten Inhaltsdidaktik. Sowi-online, 1/2004, o.S. (http://www.sowi-onlinejournal.de/2004-1/lehrkunst_berg.htm).
Bonati, P.: Lehrkunstdidaktik und Lehrstücke – ihr Beitrag zu Didaktik und Unterrichtsentwicklung. Beiträge zur Lehrerbildung, 21(1), 2003, 93-107. Gudjons, H.: Pädagogisches Grundwissen. 10. Auflage, Bad Heilbrunn: Klinkhardt Verlag. 2008. Kron, F.W.: Grundwissen Didaktik. 2. Auflage. München: UTB. 1994. Reich, W.H.: Lehrbuch Allgemeine Didaktik. 6. Auflage, München: Oldenbourg Verlag. 2001. |
Berg, H.C. & Schulze, T. (Hrsg.): Didaktik in Unterrichtsexempeln (Lehrkunstwerkstatt; 1). Neuwied: Luchterhand. 1997.
Berg, H.C. & Schulze, T.: Lehrkunst: Lehrbuch der Didaktik. Neuwied: Luchterhand. 1995. Heursen, G.: Ungewöhnliche Didaktiken. Hamburg: Bergmann und Helbig. 1997. Leps, H.: Lehrkunst und Politikunterricht (Online-Ressource). Marburg, Univ., Diss, 2006. [URL http://www.leps.de/lehrstueck/diss/1.html]. Petrik, A.: Produktive Krisen inszenieren – Wie das genetische Prinzip Jugendlichen mit Politik sowie Bildungsgang- mit Lehrkunstdidaktik verschwistern kann. In: Trautmann, M. (Hrsg.): Entwicklungsaufgaben im Bildungsgang. Wiesbaden: VS, Verl. für Sozialwiss. 2004, S. 270-291. |
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Verantwortlich: Rolf Arnold, FB Pädagogik, TU Kaiserslautern und Markus Lermen;