Hamburger Modell
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Das Hamburger Modell bezeichnet ein didaktisches Modell zur Strukturierung der Unterrichtsplanung, welches aus dem Berliner Modell in den späten 60er Jahren von Wolfgang Schulz modifiziert und weiterentwickelt wurde, wobei die Emanzipation der Lernenden im Mittelpunkt dieses Modells steht. Es unterscheidet Perspektivplanung, Umrissplanung und Prozessplanung als die drei Ebenen der Unterrichtsvorbereitung und bezieht als vierte Ebene die Möglichkeit der Planungskorrektur während der Umsetzung der Prozessplanung mit ein. |
Das Berliner Modell von Paul Heimann aus dem Jahre 1962 wurde von Wolfgang Schulz modifiziert und 1980 vorgestellt. Schulz wählte den Namen „Hamburger Modell“ bewusst, um zum einen die Verwandtschaft und zum anderen die Unterschiedlichkeit der beiden Modelle herauszustellen und es dokumentiert außerdem seinen Wechsel von der Berliner Universität an die Hamburger Universität. Anders als das Berliner Modell, welches als strukturierende Entscheidungshilfe für die Planung und Analyse des Unterrichts dient, zielt das Hamburger Modell auf die partnerschaftliche Gestaltung des Lehr-Lernprozesses durch die Lehrkraft und die Schülerinnen und Schüler, wobei der Personen- („Ich“), der Sach- („Es“) und der Gruppenbezug („Wir“) im Unterricht ausbalanciert werden sollen (vgl. Jank & Meyer, 2005). Hier wird Lernen als „Erwerb von Informationen, die Heranwachsende für ihren persönlichen Emanzipationsprozess benötigen“ verstanden (Peterßen, 2004, S.63). Schulz gibt damit eine Bewertungs- und Auswahlkategorie für Lerninhalte, aber auch Lernformen vor. Da in einem derartigen Unterricht die Arbeitsteilung zwischen Anordnen durch die Lehrkraft und Ausführen durch Lernende abgelöst wird und die Emanzipation von Schülerinnen und Schülern, also „die Verfügung von Menschen über sich selbst“ (Schulz, 1981, S. 25), gefördert wird, kann man von einem politisch-emanzipatorischen Bildungsprogramm sprechen.
Abb. 1: Handlungsmomente didaktischen Planens in ihrem Implikationszusammenhang (Schulz, 1981, S. 82). Im Kern dieses Modells befinden sich Lernende „als Partner unterrichtsbezogener Planung“ (Schulz, 1986, S. 32) sowie Lehrkräfte und ihr partnerschaftliches Handeln, wobei Lehrende ihren Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit geben müssen, den Lehr-Lernprozess mitzugestalten. Somit beschreibt das Hamburger Modell die unterrichtsbezogen Interaktionen aller Beteiligten und wird daher als Handlungsmodell bezeichnet. Das didaktische Handeln (Unterricht) wird von den Unterrichtszielen (Intentionen und Zielen), von der Ausgangslage der Lernenden und Lehrenden (ihren möglichen Chancen und Störfeldern), von den Vermittlungsvariablen wie Methoden, Medien, schulorganisatorischen Hilfen sowie von der Erfolgskontrolle (Selbstkontrolle) der Schülerinnen und Schüler sowie Lehrerinnen und Lehrer mit dem Zweck der Korrektur ihres Handelns bestimmt. Wer Unterricht analysiert oder plant muss außerdem „institutionelle Bedingungen“ sowie „politisch-gesellschaftlich-ökonomische Umstände“ (Peterßen, 2004, S.64) berücksichtigen, unterteilt in „Produktions- und Herrschaftsverhältnisse“ und „Selbst- und Weltverständnis schulbezogen Handelnder“. Die Professionalität der Lehrenden hängt dabei von den folgenden Funktionen didaktischen Handelns ab:
Schulz bietet Lehrenden als Hilfe für ihr weiteres didaktisches Denken und Handeln eine heuristische Matrix an, welche die mit dem Leitziel kompatiblen verhaltensbeschreibenden Zielaspekte (Kompetenz, Autonomie, Solidarität) und inhaltsbeschreibende Themen/Erfahrungsaspekte (Sach-, Gefühls- und Sozialerfahrung) umfasst (s. Abb. 2). Diese Intentionen, die in einer Wechselwirkung zueinander stehen, werden in Beziehung mit Erfahrungen gesetzt, sodass neun durch ein sich gegenseitig beeinflussendes Verhältnis gekennzeichnete Handlungsfelder entstehen, welche bei der Perspektivplanung berücksichtigt werden müssen (s. unten). Dabei beschreibt die Kompetenz (siehe auch Kompetenz) die Qualifikation (Wissen, Können, Einstellungen) der Lernenden, die sie im Leben brauchen, Autonomie bezeichnet ihre Selbstständigkeit als Folge von Befreiung aus der Gebundenheit an Lebensumstände, und Solidarität wird als Wille und Möglichkeit der gegenseitigen Unterstützung der Schülerinnen und Schüler verstanden. Die Steigerung von Kompetenz zu Autonomie und weiter zu Solidarität bei den Schülerinnen und Schülern kann nach Schulz nur über emanzipatorisch relevanten Unterricht erzielt werden. Abb. 2: Heuristische Matrix zur Bestimmung von Richtzielen emanzipatorisch relevanten, professionellen didaktischen Handelns (Schulz, 1981, S. 39). Schulz hat die Unterrichtsplanung in seinem Hamburger Modell näher definiert. Die nach dem zeitlichen Umfang geordneten Ebenen der Unterrichtsplanung stellen sich wie folgt dar: Die übergeordnete Perspektivplanung dient der Formulierung eines Richtziels über einen längeren Zeitraum und gibt unter Beachtung der Rahmenpläne sowie der Rahmenbedingungen für die einzelnen Unterrichtseinheiten einen Orientierungsrahmen für das didaktische Handeln vor. Aufgrund der Perspektivplanung werden einzelne Unterrichtseinheiten grob, im Umriss, vorbereitet, durchdacht und didaktisch-methodisch vorstrukturiert. Die Umrissplanung dient damit der Formulierung eines Grobziels und stellt den Kern des Hamburger Modells dar. Sie bezieht sich dabei auf eine Sinneinheit, die thematisch abgegrenzt zu anderen Einheiten steht und einen zeitlich überschaubaren Rahmen ausfüllt. In dieser Phase wird festgelegt, welche Unterrichtsziele verfolgt werden sollen und wie deren Erreichen überprüft werden kann. Die Prozessplanung dient der Verständigung über Teilziele und deren Reihenfolge, über den Handlungsablauf etc. und bezieht sich auf die konkrete Arbeit. Hier werden einzelne Unterrichtsschritte, Methoden, Arbeitsformen usw. definiert und festgelegt. Es ist notwendig, alternative Pläne der einzelnen Lehr-Lern-Schritte vorzubereiten. Dies wird oftmals auch als die mögliche vierte Ebene des Hamburger Modells, die Planungskorrektur, bezeichnet. Die Planungskorrektur bezieht sich auf die Korrektur von nicht vorhergesehenen Planungswirkungen. Kritik Jank & Meyer (2005) meinen, dass W. Schulz mit seinem Modell eine Utopie einer Schüler*innenschule skizziert hat, welcher die präzise Durchformung eines neuen didaktischen Modells fehlt. Es kommen darin außerdem keine konkreten Handlungsanweisungen bezogen auf die Lernenden zum Ausdruck. Wie Schülerinnen und Schüler im Unterricht einbezogen werden können, ist im Hamburger Modell nicht auffindbar. „Das Hamburger Modell weist zwar Postulate auf, […], ist aber nicht auf diese zu sprechen gekommen, von der Entwicklung strategischer und anderer Hilfen ganz zu schweigen“ (Peterßen, 2004, S. 69). Diesem Modell fehlen nach Nickolaus (2008) situationsspezifische Konkretisierungen. Außerdem werden bei der inhaltlichen Ausgestaltung desselben in hohem Maße (domänenspezifische) Partialtheorien einbezogen. Die lerntheoretische Schüler-Lehrer-Didaktik ist für handelnde Didaktiker wegen vieler Begriffe schwer zu verstehen und nur mühsam auf den Alltagsunterricht übertragbar. |
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Verantwortlich: Claudia Gómez Tutor, Zentrum für Lehrerbildung, TU Kaiserslautern und Olga Huber