Von KiWiSS 7. August 2024
Studienabbruch im MINT- und Lehramtsbereich
Studienabbruch wird in der Literatur unterschiedlich definiert. Eine Definition, die in der Forschung einen breiten Konsens findet, ist die von Heublein und Wolter (2011): Studienabbruch wird definiert als eine „spezielle Form von Schwund […], die nur diejenigen umfasst, die das Hochschulsystem ohne (ersten) Abschluss verlassen und ihr Studium nicht zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufnehmen“ (Heublein & Wolter, 2011, S. 216). Dies bedeutet, dass es sich um ein endgültiges Verlassen des Hochschulsystems ohne ersten Abschluss handelt (vgl. Heublein et al. 2012, S. 6; Fleischer et al. 2019, S. 1079 f.) und Fach-/Studiengangs- oder Hochschulwechsel nicht als Studienabbruch gewertet werden (vgl. Petri 2020, S. 45; Ebert und Heublein 2015, S. 67).
Ein Großteil der Studierenden im Lehramt mit MINT-Bezug beendet ihr Studium nicht (Güldener, 2023). Eine Studie zu Lehramtsstudierenden in MINT-Fächern in Mecklenburg-Vorpommern zeigt, dass die Schwundquote der Studierenden nach zehn Semestern in den meisten MINT-Fächern, insb. in der Chemie, im Lehramtstyp 3 (Sekundarstufe I) und Lehramtstyp 4 (Sekundarstufe II) über 50 % beträgt (Güldener, 2023). Weiter wird deutlich, dass ein Großteil des Schwunds allgemein und bei Lehramtsstudierenden im speziellen in der Studieneingangsphase stattfindet (Güldener, 2023; Heublein et al., 2010; Suessenbach et al., 2023). In der Chemie brechen im Allgemeinen etwa 37 % der Studierenden ihr Studium aufgrund von Leistungsproblemen ab (Heublin et al., 2010). Diese Leistungsprobleme resultieren u. a. daraus, dass bereits zu Beginn des Studiums fachspezifisches Wissen verlangt wird (ebd.) und wie im Fall des Chemiestudiums auch hohe mathematische Kenntnisse und Fähigkeiten erforderlich sind. Diese Voraussetzungen werden jedoch von vielen Studienbewerbenden resp. Studierenden übersehen, unterschätzt oder nicht erfüllt. Diese heterogene Verteilung von Vorwissen kann dazu führen, dass einige Studierende einen höheren Arbeitsaufwand betreiben müssen, der in der Studiengangskonstruktion nicht per ECTS eingeplant ist, um die Defizite auszugleichen.
Suessenbach et al. (2023) haben das Phänomen, dass viele Lehramtsstudierende ihre Lehramtsbildung abbrechen, als „Lehrertrichter“ bezeichnet. Mit Daten aus den Studienjahren 2017 bis 2021 ermittelten sie, welche und wie viele Personen in die Lehramtsbildung einsteigen und wann und wie viele von ihnen diese abbrechen. Die Ergebnisse ihrer Auswertung ist in der Abbildung zu sehen. Ihre Auswertung der Daten ergab, dass in den Studienjahren 2017 bis 2021 rund 52.500 Lehramtsstudierende mit dem Studium begonnen haben. Nur 58 % dieser Lehramtsstudierenden schlossen ihr Studium ab (Master oder Staatsexamen), der Rest brach das Studium ab. Bis zum Ende des Referendariats nimmt die Zahl der Lehramtsstudierenden weiter ab, sodass nur 52 % (27.100) der Lehramtsstudierenden, die ein lehramtsbezogenes Studium begonnen haben, beide Phasen der Lehrkräftebildung erfolgreich abgeschlossen haben.
Literatur:
Ebert, Julia; Heublein, Ulrich (2015): Studienabbruch an deutschen Hochschulen: ein Überblick zum Umfang, zu den Ursachen und zu den Voraussetzungen der Prävention. In: Qualität in der Wissenschaft (QiW) 9 (3+4), S. 67–73.
Fleischer, Jens; Leutner, Detlev; Brand, Matthias; Fischer, Hans; Lang, Martin; Schmiemann, Philipp; Sumfleth, Elke (2019): Vorhersage des Studienabbruchs in naturwissenschaftlich-technischen Studiengängen. In: Zeitschrift für Erziehungswissenschaft (ZfE) 22 (5), S. 1077–1097. DOI: 10.1007/s11618-019-00909-w.
Güldener, Torben (2023). Mint-Lehrkräfte gesucht. Wo bleibt der Nachwuchs? In Dorthe Behrens; Matthias Forell; Till-Sebastian Idel; Sven Pauling (Hrsg.), Lehrkräftebildung in der Bedarfskrise. Programme – Positionierungen – Empirie (S. 172–190). Verlag Julius Klinkhardt.
Heublein, Ulrich; Hutzsch, Christopher; Schreiber, Jochen; Sommer, Dieter; Besuch, Georg (2010). Ursachen des Studienabbruchs in Bachelor-und in Herkömmlichen Studiengängen – Ergebnisse einer bundesweiten Befragung von Exmatrikulierten des Studienjahres 2007/08. HIS: Forum Hochschule.
Heublein, Ulrich; Wolter, Andrä (2011): Studienabbruch in Deutschland. Definition, Häufigkeit, Ursachen, Maßnahmen. In: Zeitschrift für Pädagogik 57 (2), S. 214–236.
Petri, Pascale Stephanie (2020): Ein Prozessmodell des Studieneinstiegs. Differentielle Aspekte studiumsbezogener Kognitionen und deren Effekte auf Studienerfolg und Studienabbruch. Justus-Liebig-Universität Gießen. Gießen. Online verfügbar unter urn:nbn:de:hebis:26-opus-152608
Suessenbach, Felix; Maerz, Celine; Wormland, Andreas; Jorzik, Bettina (2021). Der Lehrkräftetrichter. Zugriff am 04.08.2024 auf https://www.stifterverband.org/lehrkraeftetrichter